Warum ist es so schwierig, wenn schon nicht vollkommene, dann doch zumindest maximal-mögliche oder optimale Entscheidungen zu treffen, wie es z.B. Commander Data – die Verkörperung der Rationalität in der Star-Trek-Serie – machen würde? Wäre dies nicht zumindest eine Annäherung an die perfekt Entscheidungsfindung unter den genannten Umständen?

Man müsste dafür doch bloß

  1. alle zur Verfügung stehenden Optionen sammeln,
  2. deren Merkmale auflisten,
  3. die Wichtigkeit der Merkmale für die eigene Zielsetzung bestimmen und entsprechend gewichten,
  4. dann noch die Wahrscheinlichkeit ermitteln, mit der man in den Genuss der Merkmale kommen kann, sodann
  5. die ermittelte Wichtigkeit und Wahrscheinlichkeit miteinander multiplizieren
  6. letztlich die Ergebnisse dieser Multiplikationen pro Option aufsummieren.

Dann hätte man nach der Regel der Logik alles Menschenmögliche getan, um eine gute Entscheidung herbeizuführen. Daraus würde vielleicht zwar keine perfekte Entscheidung resultieren, aber zumindest eine nach rationalen Prinzipien maximierte und optimierte.

Viele “große Lebensentscheidungen” können auf diese Weise jedoch leider nicht sinn voll gefällt werden. Warum? Ich möchte Sie auf eine kurze Gedankenreise mitnehmen.

Wann ist eine Entscheidung schwierig? Eine Entscheidung ist dann schwierig, wäre vielleicht Ihre Antwort, wenn die Optionen/Wahlmöglichkeiten sehr komplex sind oder die Folgen einer Entscheidung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind. Eine Entscheidung ist aber insbesondere dann schwierig, wenn die Optionen, zwischen denen man wählen kann, recht gleichwertig sind, nicht wahr? Wären die Optionen nicht gleichwertig, also eine Option wäre deutlich interessanter als die andere, dann wäre die Entscheidung nicht schwierig und wir würden uns problemlos für die interessantere Option entscheiden, ohne lange darüber nachzudenken.

Wenn bei schwierigen Entscheidungen aber die Optionen gleichwertig sind, könnte man doch auch einfach eine Münze werfen und “Kopf” oder “Zahl” darüber entscheiden lassen, welche Option man wählt. Es ist ja kein Problem, die Wahl vom Zufall abhängig zu machen, wenn die Optionen insgesamt gleichwertig sind. Dies erscheint grotesk. Gerade bei schwierigen Entscheidungen sollen wir eine Münze werfen? Hier scheint etwas nicht zu stimmen. Menschen gehen auf diese Weise auch nicht vor. Niemand würde bei der Wahl zwischen “Kind oder Karriere” eine Münze werfen.

Es ist ersichtlich, dass das logisch-rationale Vorgehen mit der Sammlung von Optionen, deren Gewichtung und Kalkulation von Wahrscheinlichkeiten in vielen Lebensbereichen einfach nicht sinn voll anwendbar ist. Warum nicht? Ganz einfach, weil wir es bei den verschiedenen Optionen oft mit nicht quantifizierbaren und nicht vergleichbaren Aspekten zu tun haben. Es ergibt wenig Sinn, die Wichtigkeit einer Familiengründung mit einer 4 auf einer 5-stufigen Skala zu gewichten, dass Karrierestreben mit einer 3 und beides dann auch noch miteinander vergleichen zu wollen. Wie viel Liebe ist eine Gehaltserhöhung wert? Wie viel Selbstverwirklichung ist ein Kind wert? Man kann die Unsinnigkeit dieses Vorgehens auch daran erkennen, dass ein zusätzlicher Geldbetrag von sagen wir 200 Euro für die Liebe so gut wie keinen Einfluss auf die Entscheidung hätte, obwohl die Option rein rational betrachtet ja nun nicht mehr gleichwertig sein dürften.

Schwierige, große Lebensentscheidungen fällt man somit zumeist nicht auf rationalem Weg. Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen oder großen Zukunftsunsicherheiten, also große Entscheidungen, wie z. B. den Studienschwerpunkt Wirtschaftspsychologie oder den Studienschwerpunkt Klinische Psychologie zu wählen, können durchaus leicht sein.

Der Entscheidungsprozess ist zunächst also eher eine Motivklärung, eine Identitätsbestimmung, ein Sich-In-Beziehung-Setzen zu möglichen Daseinsformen, ein virtuelles Gestalten der Zukunft. Solche Entscheidungsprozesse sind treffender beschrieben mit einem qualitativen, ganzheitlichen Einfühlen in mögliche Entscheidungsfällen und dem Abgleich des resultierenden Gefühls mit eigenen Motiven und der eigenen Persönlichkeit. 

Entscheidungen aller Art sollen effizient getroffen werden, wobei Effizienz und Perfektionismus unvereinbar sind. Dies bedeutet auch, dass man mit nicht-perfekten Entscheidungen zwangsläufig leben muss. Und wer trotzdem aller rationaler Durchstrukturieren eines Entscheidungsproblems Schwierigkeiten hat, eine Entscheidung zu fällen, sollte prüfen, ob es sich lohnt, einen Schritt zurückzutreten und zunächst zu klären, wer man eigentlich sein will und was einem im Leben wirklich wichtig ist. Vermutlich gelingt eine Entscheidungsfindung eher, wenn man diese fundamentalen identitäts- und motivbezogenen Fragen geklärt hat. Dann erst erwägt man nämlich spezifischere Optionen, die eher miteinander vergleichbar und quantifizierter sind.

Quelle: “Entscheidungen erfolgreich treffen”, Martin Sauerland/Peter Gewehr

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